Digitalisierung im Journalismus minimiert den redaktionellen Aufwand

Computer schreiben automatisiert Nachrichten, Programme helfen Social-Media-Redakteuren im Kampf gegen Hassrede, neue Suchwerkzeuge ermöglichen effektivere Internetrecherchen – all dies ist keine Zukunftsmusik, sondern heute schon Realität, sagt Dr. Andreas Niekler, Dozent der Leipzig School of Media (LSoM). Im Interview erklärt Niekler, der an der Universität Leipzig in der Abteilung Informatik forscht und dort den LSoM-Studiengang Crossmedia Management verantwortet, wie der Umgang mit Daten und der Einsatz von Algorithmen den Journalismus verändern werden und was das für die Aus- und Weiterbildung von Journalisten bedeutet.

Frage: In den USA schreiben Computer bereits Wirtschaftsmeldungen, liest man immer wieder. Übernehmen Computerprogramme auch in deutschen Redaktionen bald die Arbeit von Journalisten?

Dr. Andreas Niekler: Es gibt die Technologien und auch die ersten Angebote am Markt – insofern liegt das im Bereich des Möglichen. Die Technik ist aktuell so weit, dass sie eine große Hilfe bei routinemäßig anfallender Schreibarbeit sein kann. Es geht dabei um sehr standardisierte Texte, wie etwa Meldungen aus dem Sport oder der Wirtschaft, für die Textbausteine generiert werden können. In Zukunft wird es darüber hinaus mit hoher Wahrscheinlichkeit Online-Nachrichtenseiten geben, die komplett algorithmisch und automatisiert erstellt sind und sich aus einer Vielzahl von Quellen bedienen. Wie schnell diese Entwicklungen kommen, hängt davon ab, ob die Verlage und Medienunternehmen bereit sind, in diese Technologien zu investieren. Für die Unternehmen müsste das interessant sein, weil Automatisierung den redaktionellen Aufwand minimiert.

Anders gesagt: Computer sind billiger als Redakteure. Vernichtet die Digitalisierung also Arbeitsplätze in den Redaktionen, wie von Gewerkschaften befürchtet?

Ich bin Informatiker und kein Verlagsgeschäftsführer. Daher tue ich mich mit einer Prognose schwer. Ich bin aber eher auf der Seite derjenigen, die glauben, dass die Kräfte innerhalb der Redaktionen umgeschichtet werden. Wenn Maschinen das Schreiben von standardisierten Meldungen übernehmen, haben die Journalisten mehr Zeit für ihre Kernaufgaben, also die Recherche, Quellenprüfung und Wahrheitsfindung. Die Entwicklung könnte andererseits dazu führen, dass es Quereinsteiger in den Journalistenberuf zukünftig schwerer haben.

Entlastung könnten in den Medienhäusern momentan die Social-Media-Redakteure gebrauchen, die täglich hunderte Kommentare überprüfen und moderieren. Werden Algorithmen demnächst die Journalisten unterstützen, indem sie Kommentare mit Hate Speech erkennen und melden?

In diesen Bereich gibt es jedenfalls ein großes Potential. Solche Mechanismen ließen sich durchaus einrichten. Es sind allerdings noch wesentlich umfassendere Big-Data-Werkzeuge in der Entwicklung. Das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme bei Bonn arbeitet gerade mit der Deutschen Presse-Agentur und weiteren Partnern an einem Projekt namens „News Stream“. Dort geht es darum, den Journalisten Hilfsmittel zu geben, damit sie die riesigen Datenmengen im Internet besser beobachten, bündeln und verteilen können. Redakteure verbringen viel Zeit damit, Agenturmeldungen, Social-Media-Beiträge, Pressemeldungen und vieles mehr zu sichten. Das lässt sich alles vereinfachen.

Wie werden Daten und Algorithmen das Berufsfeld außerdem verändern?

Wie eben angedeutet, wird es in Zukunft vor allem um die Verfügbarkeit und die Verarbeitung von Daten gehen. Wir alle arbeiten momentan mit einem Internet, in dem zwar alle Informationen irgendwo abgespeichert aber teils recht schwierig zu finden sind. Diese Suche wird sich qualitativ verbessern. Wenn wir speziell über Journalisten sprechen, dann wird das Berichten mit und über Daten in Zukunft sehr an Bedeutung gewinnen. Was wir heute an datenjournalistischen Projekten sehen, ist erst der Anfang. Wir werden Journalisten brauchen, die den Umgang mit den neuen Big-Data-Werkzeugen und den Analyseinstrumenten beherrschen.

Werden Journalisten also zu einem guten Teil wie Informatiker arbeiten und denken müssen?

Nein, da gibt es wesentliche Unterschiede. Informatiker befassen sich mit den theoretischen und praktischen Grundlagen im Umgang mit Maschinen. Da geht es zum Beispiel um theoretische Modelle oder Fragen der Bandbreite. Darum brauchen sich Journalisten nicht zu kümmern. Journalisten benötigen vielmehr eine Affinität zur angewandten Informatik. Dazu gehören etwa Programmiersprachen oder die Aufbereitung, Strukturierung und Analyse von Daten. Fast noch wichtiger ist ein wissenschaftliches Grundverständnis für Fragestellungen, die Fähigkeit aus Theorien etwas abzuleiten. Um aus den Daten etwas Sinnvolles zu machen, braucht es soziologische Kenntnisse oder zumindest ein Interesse in dieser Richtung.

Welchen Beitrag leistet in diesem Zusammenhang ein Studiengang, wie ihn die Leipzig School of Media mit dem Masterprogramm Crossmedia Management anbietet?

Der Studiengang bringt Schnittstellenmanager in die Redaktionen, die sowohl die journalistische Seite als auch die technische Seite verstehen und zwischen beiden Gruppen vermitteln können. Diese Vernetzung ist enorm wichtig, weil die benötigten Programme und Technologien sonst kaum entstehen können. Die Herausforderungen in den Medienhäusern sind gewaltig. Die Verbreitung und damit auch die Erstellung von Inhalten wird immer komplexer, die Journalisten brauchen die oben genannten Hilfsmittel und Werkzeuge. Die Absolventen aus dem Studiengang Crossmedia Management haben dieses gesamte System im Blick – das macht sie so wertvoll.

>> Informationen zum Masterstudiengang Crossmedia Management (CMM)

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