Medienwandel in Museen: Ausstellungen digital erweitern

 

Wer an ein Museum denkt, hat vermutlich in erster Linie Gemälde, Skulpturen oder archäologische Fundstücke vor Augen. Besucher, aber auch Kuratoren konzentrieren sich bislang stark auf solche Objekte, die vor Ort angesehen oder angefasst werden können. Der digitale Medienwandel bietet Museen jedoch die Möglichkeit, ihr Angebot im Internet zu erweitern und Besucher auf neue Weise für Ausstellungen zu interessieren, glaubt Dr. Matthias Henkel, Inhaber der auf den Kulturbereich spezialisierten Kommunikationsagentur Embassy of Culture. Wie das funktionieren kann, erklärte er am vergangenen Freitag bei einem Vortrag an der Leipzig School of Media (LSoM).

„Internet und Museum sind bislang zwei Welten“, beschrieb Henkel den Status Quo in der Branche mehr als zehn Jahre nach Aufkommen des Web 2.0. Zwar hätten inzwischen fast alle der knapp 6.400 Museen in Deutschland eine eigene Website. Die Frage der Zukunft werde laut Henkel (Vita online hier abrufbar) aber sein, „wie die Kuratierung des digitalen Raumes gelingt und Ausstellungsbesuchern im Netz ein Zusatznutzen angeboten werden kann.“

Neue Zielgruppen in die Museen locken

Soziale Netzwerke könnten nach Ansicht von Henkel dabei eine zentrale Rolle spielen: „Museen sind ja praktisch selbst soziale Netzwerke. Wenn sie sich dieser Kraft bewusst würden, könnten sie diese Energie auch in Social Media nutzen“. Auf einzelne Ausstellungen abgestimmte Inhalte für Facebook, Twitter und Co. eignen sich zudem für das Marketing. Neue, jüngere Zielgruppen könnten in die Ausstellungen gelockt werden. „Von den Werbemedien auf die Website in die Ausstellung und diesen Weg wieder zurück“, möchte Henkel die Besucher führen.

Beispiel: Ausstellung zu Harry Graf Kessler

Wie das konkret funktionieren kann, veranschaulichte Henkel anhand der Ausstellung „Harry Graf Kessler – Flaneur der Moderne“, die von der Stiftung Brandenburger Tor in Kooperation mit dem Deutschen Literaturarchiv Marbach und der Klassik Stiftung Weimar von Mai bis September dieses Jahres im Max Liebermann Haus in Berlin veranstaltet wurde. Kessler war ein „Mäzen, Verleger, Diplomat und Dandy“, wie es auf der Website zur Schau heißt, der von 1868 bis 1937 lebte und über einen Zeitraum von 57 Jahren mehr als 15.000 Seiten Tagebuch an hunderten Orten und zu hunderten Persönlichkeiten schrieb.

15.000 Seiten Papier anschaulich machen

Die Herausforderung für der Ausstellungsmacher: Mit seinen Tagebucheinträgen zeichnete Kessler zwar ein spannendes, zeigenswürdiges Bild seiner Zeit, vom „Wilhelminischen Kaiserreich zur Weimarer Republik, vom Ersten Weltkrieg über die 20er Jahre bis zur Nazizeit“. Jedoch hinterließ er fast ausschließlich „Flachware“ (Henkel), also beschriebenes Papier. Für Besucher einer Ausstellung wenig anschauliches Material.

Um das Problem zu lösen und die Tagebuchbände stärker in den Mittelpunkt zu stellen, erweiterte das Projektteam die Ausstellung digital. Zu diesem Zweck veröffentlichte es den kompletten Tagebuchtext auf der Ausstellungswebsite, inklusive Schlagwortsuche. Zugleich entstand auf der Internetseite eine interaktive Weltkarte, auf der viele Orte markiert wurden, an denen Kessler Tagebuch schrieb. Hinter einigen dieser Ortsmarkierungen hinterlegten die Ausstellungsmacher zusätzlich markante Zitate und lieferten dazu Erläuterungen, die Besucher in der eigentlichen Ausstellung nicht lesen konnten.

Bei Facebook und Twitter postete und teilte das Team schließlich diese Zitate, um Nutzer auf die Website und hiernach in die reale Ausstellung zu lotsen. „20 Prozent der Websitebesucher kamen über Social Media. Und wir hatten genauso viele reale wie virtuelle Besucher“, beschrieb Henkel den Erfolg dieser Bemühungen.

Gelernt: Genügend Zeit und finanzielle Ressourcen einplanen

Mehrere der etwa 25 Zuhörer lobten in der Diskussion nach dem Vortrag das Ausstellungs- und Kommunikationskonzept, bemängelten aber die recht inkonsequente Umsetzung. So wurden auf der interaktiven Weltkarte weniger als ein Dutzend Zitate hinterlegt. Auch bei Facebook und Twitter wurden nur wenige Inhalte geteilt, sodass letztlich auch keine sehr großen Follower-Zahlen aufgebaut werden konnten.

Dies gehöre zu dem Lernprozess, den er selbst, aber auch die Organisationen hinter der Ausstellung durchgemacht hätten, gab Henkel selbstkritisch zu: „Was wir gesehen haben, ist, dass man viel Zeit, aber auch personelle und finanzielle Ressourcen für solche Social-Media-Kampagnen einplanen muss. Wobei Zeit wahrscheinlich der wichtigste Faktor ist“.

Zumindest die Ausstellungswebsite kann aber nach Auslaufen der Schau weiter sinnvoll genutzt und sogar ausgebaut werden. Möglicherweise übernimmt die Harry-Graf-Kessler-Gesellschaft Datenbank und Konzept, um Kesslers Erbe einem interessierten Publikum digital zugänglich zu machen.

LSoM erwägt spezielle Weiterbildungsangebote
Für die LSoM war der Vortragsabend für und mit Fachkräften von Museen übrigens ein Experiment. Bislang zählte die Branche nur selten zu den Kunden der School, auch wenn Angebote wie der Zertifikatskurs zum Social Media Manager oder der neue Zertifikatskurs zum Community Manager passende Ausbildungsinhalte für diese Zielgruppe bereithalten.

Zukünftig seien aber auch speziell zugeschnittene Lernangebote denkbar, wie LSoM-Geschäftsführer Michael Geffken betont: „Kommunikation, Medien und Digitalisierung sind Themen, die auch die Museologie immer stärker betreffen. Gerne möchten wir die Verantwortlichen in diesem Bereich bei ihrer Arbeit unterstützen.“

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