Die 10 Gebote für verständliche Texte

Es ist schwer, einen verständlichen Text zu schreiben. Wolf Schneider, Autor zahlreicher Bücher zum Thema und Deutschlands prominentester Sprachkritiker, formulierte hierzu einmal: „Einer muss sich immer plagen, wenn Verständigung zustande kommen soll: der Schreiber oder der Leser“.

Wie Schreibende ihren Lesern die Verständigung leicht machen, hat uns Christoph Fasel verraten, der Wolf Schneider einst als Leiter der Henri-Nannen-Schule beerbte. Der Journalist, Bestseller-Autor und Dozent der Leipzig School of Media (LSoM) rät Schreibenden dazu, folgende 10 Gebote zu befolgen:

1. Nicht den allgemeinen Ausdruck, sondern den speziellen suchen.


Autoren sollten die Dinge beim Namen nennen und abstrakte Begriffe vermeiden.

Beispiel: „Am Brunnen vor dem Tore steht eine Linde“ und kein „botanisches Gewächs.”

Außerdem gilt es, wo immer möglich, die kleinste Einheit zu verwenden. Handelt es sich um einen „Mops“, schreibt der stilsichere Texter nicht von einem „Hund“; meint der Verfasser einen „Hund“, so schreibt er nicht „Haustier“; meint er ein „Haustier“, dann schreibt er nicht „Tier“; meint er ein „Tier“, schreibt er nicht „Lebewesen“.

Grundsätzlich sind abstrakte Begriffe eine Qual für den Leser. Dies betrifft einige Klassiker, wie zum Beispiel „Bereiche“, „Ebenen“ oder „Faktoren“.

2. Den Nominalstil vermeiden.


Der Autor, der gelesen werden will, beschreibt Handlungen mit Verben und nicht mit aneinandergereihten Hauptwörtern.

Beispiel: „erwägen” statt „in Erwägung ziehen”; es „mangelte“ statt „In Ermangelung“.

Den Nominalstil (nach lat. Nomen: Name, Substantiv) gebrauchen Beamte und Juristen. Sie bilden Ketten von Substantiven und schreiben: „Das Nichtbeachten dieser Vorschrift hat Bestrafung zur Folge“. Verständlicher wäre: „Wer gegen diese Vorschrift verstößt, wird bestraft“.

3. Lieber kurze statt lange Sätze schreiben.


Leser speichern in ihrem Kurzzeitgedächtnis maximal 18 Wörter. Gute Autoren schreiben deshalb möglichst kurze Sätze. Lange Sätze wechseln sich, wenn sie schon nötig sind, mit kurzen Sätzen ab. Verständliche Texte enthalten außerdem nur wenige Nebensätze.

Wichtig: Nebensätze enthalten nur Nebensachen; Hauptsachen und Handlungen gehören in Hauptsätze. Schachtelsätze mit mehreren Nebensätzen oder anderen Einschüben – etwa in Form von Gedankenstrichen – gilt es zu vermeiden. 

Unerwünscht sind ebenso „Klemmkonstruktionen“, bei denen Subjekt und Prädikat weit auseinandergerissen werden. Beispiel: Im Satz „Ihr Mann, den sie so sehr liebte, wurde, trotz eines Großaufgebots der Polizei außerhalb des Hauses, vom Einbrecher erschossen“ folgt auf das Subjekt (Ihr Mann) verspätet der erste Teil des Prädikats (wurde) und erst 8 Wörter weiter der wichtige zweite Teil (erschossen). Besser wären zwei Sätze. „Der Einbrecher erschoss ihren Mann, den sie so sehr liebte. Die angerückte Polizei konnte nicht mehr eingreifen.“

4. Mit Eigenschaftswörtern geizen.


Adjektive sind überschätzt. Selten fügen sie einem Text eine neue Information hinzu. Häufig werden sogar falsche Eigenschaftswörter verwendet. Beispiele: die schwache Brise, die festen Überzeugungen oder gezielten Maßnahmen. Für Autoren daher eines der wichtigsten Gebote: Zwei von drei Adjektiven streichen!

5. Vorsicht vor der Synonymitis!


Das „Elb-Florenz“ oder das „Klein-Paris“ sind abgegriffen. Wenn schon Synonyme, dann neue und überraschende. 

6. Blähdeutsch vermeiden.


Schreiber sollten aufgeblähte Begriffe nicht verwenden. Es gibt ausschließlich Probleme, Problematiken oder gar Problembereiche gibt es nicht.

7. Beschönigende und damit verschleiernde Ausdrücke weglassen.


Der gute Schreiber, speziell der Journalist, übersetzt für seine Leser. Er übernimmt keinen Fachjargon und schon gar keine PR-Sprache.

Daher muss es heißen: „Im Atomkraftwerk ist eine Katastrophe geschehen“ statt „Im Kernkraftwerk gab es einen Zwischenfall“.

8. Modewörtern streichen.


Jedes Unternehmen ist heute „innovativ“ und „agiert global“; jeder Mitarbeiter rühmt sich seiner „Kreativität“ und stellt sich gern „Herausforderungen“. Solche Modewörter langweilen den Leser.

9. Den Leser von Beginn an einfangen.


Fesseln die ersten Sätze den Leser nicht, ist er für den Autoren verloren. Deshalb gilt der Merksatz für Zeitungsschreiber von Samuel Goldwyn: “Mit einem Erdbeben anfangen und dann ganz langsam steigern!”

Gelingen kann dies etwa mit Witz, einem unerwartetem Vergleich, einem Paradoxon oder direkter Ansprache.

10. Der Sprache Atem geben.


Über wie viel Platz verfüge ich? Wie viel Tempo braucht meine Geschichte? Welchen Sprachstil verwende ich? Diese Fragen beantwortet der Schreiber idealerweise, ehe er beginnt. Während des Schreibens können Autoren hier außerdem noch variieren und experimentieren, um den richtigen Ton zu treffen und das richtige Maß zu finden.

Generell gilt: Atemlos schreiben, wenn es um eine geglückte Erfindung geht; sachlich berichten,  wenn man die Methodik der Forschung beschreibt; einen warmen Ton anschlagen, wenn man von Schicksalen erzählt.

Seminar „Kreatives Schreiben und Arbeiten“ mit Christoph Fasel im November
Wer tiefer ins Thema einsteigen möchte, besucht das Seminar „Kreatives Schreiben und Arbeiten“, das ein- bis zweimal jährlich von der LSoM veranstaltet wird. Christoph Fasel bringt den Teilnehmern bei, wie sie verständliche Nachrichten, Berichte und Reportagen schreiben und selbst sperrige Themen unterhaltsam vermitteln. In vielen Übungen schärfen die Teilnehmer außerdem ihren Schreibstil und erfahren Strategien zur Ideenfindung und zur Vermeidung von Schreibblockaden.

Hilfreiche Literatur
Einen Einstieg ins Thema geben auch folgende Bücher von Sprachpapst Wolf Schneider, aus denen hier einige Beispiele entnommen wurden:
>> Deutsch fürs Leben. Was die Schule zu lehren vergaß. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1994, ISBN 3-499-19695-6 (16. Aufl. 2006)
>> Deutsch! Das Handbuch für attraktive Texte. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2007, ISBN 978-3-499-61993-9

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